Der Badener Poet schreibt in seiner 93. Badener-Tagblatt-Kolumne über das allererste Fussballturnier seines Sohnes. Er ist heute noch gerührt.
«Hämmer d Schienbeischohner?», fragt der ältere Löwe?
«Ja»
«Und d Stulpe?»
«Ja»
«Und d Trinkfläsche?»
Ich drehe das Radio ein wenig lauter. Wir sind unterwegs nach Klingnau. Es ist ein grauer Sonntagmorgen. Der ältere Löwe spielt heute sein allererstes Fussballturnier. Er ist freudig aufgeregt. Ich hingegen bin schlicht nervös. Zum Glück fährt meine Frau, sie kennt mich gut. Beruhigend liegt ihre Hand auf meinem Knie. «Chund alles guet.»
Ja, schliesslich ist es auch mein allererstes Fussballturnier. Und wenn mein Gehirn nicht auf bereits Erlebtes zurückgreifen kann, malt es sich halt einfach aus, was wohl alles kommen wird: Trainer mit Klemmbrett, pochender Halsschlagader und Schaum vor dem Mund. Sich prügelnde Eltern. Kinder mit betonierten Frisuren, die nach jedem Tor, das sie schiessen, einen Cristiano-Ronaldo-Jubel vollführen und in Gedanken schon mal den Lamborghini auf dem Sonnendeck ihrer Jacht einparken. Mit dem Helikopter …
Ich sehe Blutgrätschen, höre Pfiffe und fragwürdige Parolen, ich rieche Petarden und Aggression. Und irgendwo in meinem Hirn rollt noch ein jaulender Fussballer quer über den Rasen, er hält sich den rechten Knöchel, rollt noch ein wenig weiter, bis er liegen bleibt. Jetzt haut er vor Schmerz mit der flachen Hand auf den Rasen, bis er merkt, dass das Spiel ohne ihn weiterläuft. Er blickt sich um, steht auf, humpelt ein wenig, verzieht das Gesicht, als er angespielt wird, sprintet er Vollgas mit dem Ball los …
Als wir ankommen, haben sich die Regenwolken verzogen. Der ältere Löwe hat seine Mannschaftskollegen schon gesichtet und rennt zu ihnen, im blauen FC-Turgi-Trikot. Der jüngere Löwe setzt ihm nach, in Gummistiefeln. Als meine Frau und ich dazustossen, fliessen schon die ersten Tränen. Er wolle auch mitspielen, sagt der jüngere Löwe. Nur zuschauen sei langweilig. Ob wir wenigstens einen Ball dabei hätten?
Haben wir leider nicht. Voll vergessen. Doch da kommt der SC Zurzach-Trainer. Er hat alles mit halbem Ohr mitgekriegt und streckt dem jüngeren Löwen ein gelbes Trikot entgegen, «chum, chasch bi eus mitspele». Es rührt mich heute noch. Und unser Sohn wuchs direkt um einen Kopf.
Plötzlich sind also beide unsere Löwen auf dem Spielfeld. Dem jüngeren reicht das Trikot, trotz geschwollener Brust, bis zu den Knien, und weil er nicht in den Gummistiefeln spielen wollte, trägt er die Ersatz-Turnschuhe seines Bruders.
«Dä mit de z grosse Schueh» nennen ihn seine neuen Zurzacher Kollegen und nehmen ihn schulterklopfend ins Team auf. Nach dem ersten Spiel hält ihm die Mutter eines Mitspielers eine Trinkflasche hin. «Trink, trink, so viel du magst.»
Wir erleben an diesem Sonntag grossen Sport. Ich bin begeistert. Vom FC Turgi und vom SC Zurzach. Und den anderen Mannschaften. Von der familiären Stimmung. Von den Trainern. Den Kids. Den Eltern. Auf dem Rückweg im Auto schildere ich wie ein atemloser Kommentator meine Eindrücke. Als ich Ronaldos Jubel-Schrei imitiere, legt mir meine Frau sanft die Hand aufs Knie. Im Innenspiegel sehe ich die Löwen. Aneinander gelehnt. Sie sind zufrieden und erschöpft eingeschlafen.
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